Anti_gone

Premiere am 01. 02. 2017 im Theater Bronski & Grünberg, Wien

 

 

Ein Stück über Verhältnismäßigkeit und Faschismus

 

 

Inhalt

 

Im Wartezimmer eines Therapeuten sitzt die gelangweilte Iphigenie. Mit dem Smartphone in der Hand und in Zeitschriften blätternd wartet sie auf ihre Mutter Klytämnestra. Als sich wenige Minuten später die unbändige Antigone in den Wartesaal begibt, entwickelt sich zwischen den beiden „Töchtern aus gutem Hause“ schnell ein Rollenspiel. Durch ihr eigenes Spiel aufgewühlt, sucht Antigone immer wieder Sicherheit im Konsum einer Zigarette. Doch Rauchen ist hier nicht gestattet.

 

In vier Eskalationsstufen sollen Geheimnisse gelüftet und Schuldigkeiten offengelegt werden. Um „verstanden“ zu werden, soll sie sprechen. Denn man wolle ihr helfen. Doch Antigone ist nicht krank. In einer gefährlichen Spirale von Verbergen und Offenbaren versucht sie zu bewahren, was der Welt am gefährlichsten ist: Die Seele als Ursprung allen Widerstands.

 

Dieser Konflikt lässt sich ohne Gewalt nicht lösen.

 

 

engl.

In a therapist’s waiting room sits bored Iphigenia. Smartphone in hand and leafing through magazines she waits for her mother Klytemnestra. When after a few minutes boisterous Antigone enterst the waiting room, she embroils young and naive Iphigenia in therapeutic role-plays. Agitated through her own play, time and again she seeks refuge through a cigarette. But smoking is not permitted here. This conflict can only be solved through violence.

Was wir hier sehen ist der Ursprung des Widerstandes. Und der liegt in der Unbeugsamkeit der Seele, im Mysterium der menschlichen Psyche begründet, die unergründlich und frei ist. Es geht einzig und allein darum, dass Antigones Seele nicht vermessen, nicht ergründet, nicht erfasst werden kann. Die Weigerung ihr Imago zu bestätigen ist nichts weiter als der Widerstand gegen eine vollständige Erfassung unseres Menschseins durch Wissenschaft, Wirtschaft, Psychologie, Finanzen, Politik, Forschung und zuweilen auch Kunst. Der Kern des Widerstandes liegt in der Unbeugsamkeit der Seele. Nur wenn es eine Seele gibt, gibt es was zu fürchten. Wenn ich einen Menschen bis auf die Seele entblöße, wenn ich es dann gar schaffe, ihm die Seele zu entfremden, dann habe ich von ihm auch nichts mehr zu befürchten. Ein Mensch jedoch, der mitten in der Gesellschaft stehend, sich zu offenbaren weigert, dieser Mensch ist gefährlich.

 

Natürlich ist das ein religiöses Stück. Es geht um die Offenbarung der Seele.

Und nun aufgepasst: Die verweigerte Offenbarung geschieht nicht etwa im Geheimen! Antigone stellt sich dem Therapeuten. Sie stellt sich dem Gespräch mit Iphigenie. Sie sagt sogar an einer Stelle, es sei alles bekannt über sie, Hämon wisse alles, nichts sei ihm verborgen! Doch gerade daraus entspringt das Unbehagen. Denn, wie schafft sie, ein Reines Mysterium zu bleiben, ohne irgendetwas zu verstecken? Wie schafft sie es, intakt zu bleiben inmitten dieser gewaltsamen Endszene? Ihre Kraft liegt darin, dass sie nichts weiter verbirgt als das Wissen um ihre Einzigartige Seele. Und dieses Wissen ist unerschütterlich. Ewig. Kraftvoll und groß.

Was ist das Geheimnis des Menschen, wenn alles über ihn bekannt gemacht wird? Was bleibt übrig, wenn wir über alles Informationen bekommen können? Ist das dann das Ende unserer Erkenntnis? Ist die totale Überwachung das Ende der menschlichen Geschichte? Ist die globale Vernetzung und Datenspeicherung das Ende des freien Willens? Ist das Bestreben zu totaler Sicherheit das Ende unserer Handlungshoheit?

 

Wie kann man heute seinen ganz privaten, eigenen Raum noch behaupten, wenn man von allen Seiten gezwungen wird, sich zu definieren?

 

Für Antigone ist die Seele der Ursprung allen Widerstandes. Die Seele zu schützen, ist Aufgabe des Menschen. Tut er es nicht, gibt er sich der Gefahr hin, eine Nummer in einer Masse von Nummern zu sein. Wenn die Seele im Menschen nicht lebt, dann kann er sich gegen das Bild, das die Gesellschaft von ihm hat, nicht wehren. Ein Opfer meiner eigenen Geschichte bin ich dann, wenn ich meine Fähigkeit verloren habe, meine Zukunft aus mir heraus zu schöpfen. Verliere ich den Zugang zu meiner Seele, bleibt mir nichts anderes als das, was andere von mir denken.

Das Stück spielt nicht zuletzt deshalb beim Psychologen, weil das der passende Rahmen zu sein scheint, in dem die eifrig gerechtfertigte Tendenz zur Pathologisierung der Seele zu beobachten ist. Eine Pathologisierung jeglicher seelischer Regungen. Dabei wird nicht etwa auf einen Zustand der Ataraxia als angestrebte Norm für die Mitglieder der Gesellschaft abgezielt sondern vielmehr eine Art der Apathie, Beliebigkeit Widerstandslosigkeit und einer daraus resultierenden Lenksamkeit und Einfältigkeit.

 

Seelische Prozesse freizulegen kann somit rein persönlicher Natur sein; Größe erreicht eine solche Arbeit dann, wenn sie in den Dienste Dritter gestellt wird.

Aufführungen

 

Premiere am 1.2. 2017 im Bronski & Grünberg, Wien

Weitere Aufführungen am 2.9.10. und 15.16.17. Februar sowie am 14.15. und 16 März

 

Wiederaufnahme im Bronski & Grünberg am 14. Juni 2017

Weitere Aufführungen am 15. und 16. Juni

 

Festivals

 

F I A T - Festival Internacionalnog Alternativnog Teatra, am 15. 9. 2017, Podgorica, Montenegro